Er trug sie auf Pfoten durchs Leben. Nie hatte sie sich über ihn beklagen müssen, oder auch nur können. Seine Sanftheit ihr und den gemeinsamen Jungen gegenüber war bewundernswert und sie wusste, dass der ein oder andere sie um diesen Kater beneidete. Er hätte freiwillig sein Leben für sie oder ihre Junge gegeben, das wusste sie, mit jeder Faser ihres Seins.
Und genau das war es, was ihr die Entscheidung so leicht machte. Denn auch sie würde das tun. Sie war genauso eine Kriegerin, wie er es war und für ihre Jungen, ihre ganze Familie, gab sie bereitwillig ihr Leben, wenn es bedeutete, dass sie glücklich leben durften. Für sie war es lange nicht das Kostbarste, was sie besaß. Sie krallte sich in das Fell ihres Gegners. Es quoll bereits Blut unter ihren Krallen hervor, denn sie wusste, wenn sie ihr Leben gab und es trotzdem nicht schaffte diesen Gegner zu besiegen, wäre alles umsonst. Dann würde sie trotz allen Opfern, die sie bereit war zu geben, gemeinsam mit ihrer verbliebenen Familie, in die ewigen Jagdgründe des SternenClans eingehen.
Ihre Wurfgefährten waren bereits vor langer Zeit gegangen und auch ein paar ihrer Jungen, hatten sie bereits verlassen. Sie hatte es nur ertragen, weil sie wusste, dass ihre Mutter, ihre Wurfgefährten und ihr Vater sich dort, wo sie nun ebenfalls hingehen würde, um ihre Kleinen kümmerten.
Es machte ihr keine Angst. Adrenalin, Angst, Verzweiflung und alles, was sie je von ihrer Mentorin gelernt hatte, pumpten mit einer unglaublichen Geschwindigkeit durch ihre Adern, dass sie nicht mehr. Hätte sagen können, wo oben und unten war. Doch das war nebensächlich, der einzige Fokus, den sie in diesem Moment sah, war der Gegner, der ihre Familie bedrohte. Sie verbiss sich in seine Haut, freute sich, als sie Blut schmeckte.
Sie grub immer wieder und immer tiefer ihre Krallen unter seine Haut und immer wieder schrie diese Katze, die ihre Familie, ihren Clan bedrohte.
Sie hatte geschworen ihren Clan mit allem zu schützen, was sie hatte und wenn das ihr Leben war? Dann war das so und sie würde es tun. Er hatte sie bereits heftig erwischt, eine klaffende Wunde in der Seite. Doch das Adrenalin, der Kampfgeist ließ sie die Schmerzen vergessen. Durch jede Bewegung riss sie die Wunde weiter auf.
Eigentlich ironisch, dachte sie, dass sie die Entscheidung, ob sie dies überlebte oder ihre Familie, kein bisschen diskutierte.
Sie spürte, dass sie nur für diesen Moment gelebt hatte.
Das hier war ihre Bestimmung, obwohl es keine Prophezeiung oder so etwas dafür gab. Endlich erreichte sie die Kehle ihres Gegners, sie biss zu, krallte sich ein letztes Mal in die Schultern ihres Gegenübers und jetzt war der Moment gekommen, indem sie das erste Mal die Todesangst in den Augen ihres Gegners sehen konnte. Vorher war da nur Bosheit gewesen. Er war sich sicher, dass er die kleine, zierliche Kätzin besiegen würde, doch er hatte nicht mit dem Kampfgeist einer Mutter gerechnet, die ihre Familie beschützte.
Ihr Gegner fiel leblos zu Boden. Sie hatte es geschafft, doch würde sie ihren Sieg nicht lange auskosten können. Als erstes spürte sie die warme Flüssigkeit, die ihr Fell durchtränkte, dann roch sie den metallischen Geruch ihres eigenen Blutes. Erst dann kehrte der Schmerz zurück, mit einer solchen Heftigkeit, dass sie zusammen sackte und auf dem Boden liegen blieb. Sie musste einen Schrei unterdrücken. Ihre Jungen waren immer noch hier. Unter heftigen Schmerzen drehte sie sich so, dass sie die Wunde nicht würden sehen können, dann rief sie nach ihnen.
Vorsichtig sah sie ein paar Ohren aus dem Versteck lugen, dann eine kleine Nase. Sie waren zu klein, als dass sie sich später noch genau an den Kampf erinnern würden. Sie rief sie zu sich und mit einem ängstlichen Blick auf die Leiche ihres Gegners rannten sie zu ihrer Mutter, schmiegten sich an sie.
Immer noch unterdrückte die Kätzin die Schmerzen, auch wenn sie deutlich spürte, wie schwach sie bereits war. Unter qualvollem Stechen in ihrer Seite leckte sie den Kleinen, ihren Kleinen, noch einmal über den Kopf, rollte sich um sie zusammen.
Ihr Vater, ihre übrigen, bereits erwachsenen Jungen, ihr Clan, sie würden sich um sie kümmern.
Ein letztes Mal sagte sie ihnen, dass sie sie liebte. Ein letztes Mal flüsterte sie den Namen ihres Gefährten, des Katers, den sie so sehr geliebt hatte. Dann schloss sie, aus eigener Kraft, ein letztes Mal die Augen und im nächsten Moment sah sie ihre Geschwister, ihre Mutter, ihren Vater.
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